
Ich schminke mich ungefähr seit meinem 14. Lebensjahr. Damals hieß das: Viel zu dunkles MakeUp (So ca. zwei Nuancen...), Wimperntusche (Die letzten Härchen ausgespart, da unter Zeitdruck aufgetragen) und irgendwann dann auch einen dicken roten Strich a.k.a. Rouge auf den Wangen. Für mich war das eine Maske, hinter der ich mein mangelndes Selbstbewusstsein versteckt habe. Ich habe darin ein notwendiges Übel gesehen, Freude hat mir das nicht unbedingt bereitet. Denn mir war schon klar, dass das eher nicht so toll aussieht, aber das war mir egal.


Tja, nur leider erhöht der Umstand, eine Schminktussi zu sein, eben nicht gerade die berufliche Wertschätzung. Dass ich eine kleine, zierliche Person bin, macht die Sache auch nicht besser. Ich erinnere mich an viele Situationen auf Arbeit, in denen mein Gegenüber dachte (oder hoffte?), ich sei vielleicht die dumme Praktikantin. So schrieb beispielsweise ein Journalist in einem Bericht über meinen ehemaligen Chef in einer Regionalzeitung, ich sei die "Bürokraft". Dabei hatten wir im Vorfeld Kontakt und unter meinen E-Mails an ihn stand immer "Wissenschaftliche Mitarbeiterin". Ich weiß, ich war nicht im Fokus des Artikels, trotzdem ärgere ich mich noch heute, dass ich ihn nicht auf seinen Fehler hingewiesen habe.
Ein anderes Beispiel: Nach der Bundestagswahl, als klar war, dass mein Vertrag am 1. November endet, hatte ich ein "Vorstellungsgespräch" bei einem FDP-Politiker. Es war ein lockeres Mittagessen, bei dem ich unter anderem auch über meinen bisherigen beruflichen Weg erzählt habe. Er wusste also von dem Masterstudium in Politikwissenschaft mit Spezialisierung auf Internationale Beziehungen und meinem vorherigen "Status". Mal abgesehen davon, dass ich nach dem Treffen fast vier Monate nichts mehr von ihm gehört hatte, hat er schließlich irgendwann am Telefon gesagt: "Momentan habe ich leider keinen Bedarf an einer Sekretärin"... WAS VERFLUCHT SOLL DAS? Ja, ich bin klein, sicher keine laute Person und mache mich gerne schick - Aber muss man mir deshalb die fachliche Kompetenz absprechen?
Es ist ja eine Binsenweisheit, dass die Körpergröße und das Aussehen erheblichen Einfluss auf den beruflichen Erfolg haben. Attraktivität hilft sicher erst mal, um einen Job zu bekommen. Es ist aber zweifelhaft, ob man es so als Frau bis in die Führungsetage schafft. Andererseits haben Frauen, die von ihren männlichen Kollegen als unattraktiv "bewertet" werden, ebenfalls Schwierigkeiten beim Karriereaufstieg. Offensichtlich werden wir immer auch als potentielle Sexpartner betrachtet und danach eingestuft. Ja, natürlich darf man das nicht pauschalisieren. Und mir ist klar, dass es auch Sexualisierung von bzw. Gewalt gegen Männer gibt. Das wird von den Kritikern der #Aufschrei und #MeToo Kampagnen ja stets betont. Tun wir unseren männlichen Kollegen also Unrecht? Nun, es gibt diese Formel, die sich mir eingeprägt hat: Sexismus= Vorurteil+Macht. Das bedeutet, zusätzlich zu den verletzenden und unangenehmen Bemerkungen gibt es auch eine klare Struktur, die ein Geschlecht systematisch benachteiligt. Und seien wir ehrlich, das betrifft vordergründig uns Frauen. Das bedeutet nicht, dass die Sexualisierung von Männern weniger schlimm ist. Aber ist sie auch strukturell?
Ich bin jedenfalls mehr als dankbar dafür, dass wir wieder verstärkt über Frauenrechte reden. Typen wie Trump und Harvey Weinstein machen es nötig. Und ich befürchte, es wird auch noch lange ein Thema bleiben (müssen).
Bis struktureller Sexismus, der vor allem Frauen* benachteiligt, überwunden wird, wird ein langer, harter und steiniger Weg zu bewältigen sein. Einerseits richten solche Vorkommnisse wie Weinstein oder Wedel das Augenmerk auf sexualisierte Gewalt/Missbrauch besonders in Bereichen, in denen Macht und Einfluss eine Rolle spielen, und alle finden das schlimm und als etwas, was dringend bekämpft werden muss. Aus dieser Haltung erwachsen Proteste oder Bewegungen wie #metoo oder #timesup. Das ist natürlich alles richtig und unterstützenswert. Nur habe ich die Befürchtung, dass das nicht nachhaltig ist. Denn andererseits ebbt die Empörung über strukturell verankerten Sexismus ab und es ist kein aktuelles Thema mehr. Man erkennt dieses Phänomen sehr gut an der "Brüderle-Affäre". Um Seximus zu bekämpfen, muss ein tiefes und grundlegendes Umdenken erfolgen, dass für die allermeisten zu unbequem ist, weil es deren Machtposition betreffen könnte. Ich verstehe Deine Gedanken zu dem Thema sehr gut und finde es super, dass Du es angesprochen hast! Ich freue mich auf weitere Beiträge von Dir.
AntwortenLöschenLiebste Grüße
Gamze
Hallo meine liebe Gamze,
Löschenvielen Dank für dein Feedback! Dieses Thema liegt mir wirklich ganz besonders am Herzen, deshalb wollte ich unbedingt ein paar Worte darüber schreiben. Du hast vollkommen recht, die Diskussionen kommen immer mal wieder auf und werden dann recht schnell von neuen Vorkommnissen oder Ereignissen überlagert. Ich habe aber doch den Eindruck (oder Hoffnung) , dass sich gerade etwas in den Köpfen ändert. Das zeigt sich vor allem darin, dass jetzt immer öfter über die Thematik gesprochen wird. Und das könnte doch ein erster Schritt in die richtige Richtung sein!? *Fingers crossed*
Bis hoffentlich bald und ganz lieben Gruß!