Sonntag, 9. September 2018

Das Dickschädel-Syndrom

Ich bin stur, heißt es. „Du willst immer mit dem Kopf durch die Wand“, wirft man mir vor. Manche sagen sogar, ich könnte jedem Stein in Sachen Unnachgiebigkeit Konkurrenz machen. Das war schon immer so, denke ich. Schon als Kind wusste ich genau, was ich wollte und bin nur ungern Kompromisse eingegangen. Tja, und so ist es bis heute geblieben. Habe ich mir erst mal eine Meinung gebildet, ist sie meist unumstößlich.
Mir ist bewusst, dass das nicht die beste Charaktereigenschaft ist. Oft genug bringe ich mein Umfeld mit meinem Dickschädel zur Weißglut. Es muss frustrierend sein, mit jemandem zu diskutieren, der offensichtlich gegen jedes Argument immun zu sein scheint. Aber ich finde, es gibt berechtigte Gründe, beharrlich zu sein:

Gerade in diesen politisch instabilen Zeiten, in denen manch einer seine Ansichten wechselt wie die Unterwäsche und das Wort "Opportunismus" eine ganz neue Bedeutung bekommt, ist es wichtig, eine dezidierte Meinung zu haben.

Manchmal, nicht immer, haben wir Sturköpfe auch einfach mal Recht.

Es ist wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben und daran festzuhalten. Beharrlichkeit hilft, um entgegengebrachte Einwände zu überwinden.

Auch Psychologen sind der Meinung, dass Sturheit notwendig ist, um seine eigene Individualität zu entwickeln und sich seiner Wünsche und Bedürfnisse bewusst zu werden.

Wir Dickschädel treffen sämtliche Entscheidungen selbst. Die Konsequenzen tragen nur wir allein. Wir können niemanden für die Folgen unseres Handelns in die Pflicht nehmen. Ganz nach dem Motto: Wer A sagt, muss auch B sagen.

Für gewöhnlich wird Sturheit sprichwörtlich betrachtet mit einem Esel in Verbindung gebracht, weniger mit einem Menschen. Es heißt, man könne nicht gleichzeitig stur und glücklich sein - Denn Glück sei offen, während Sturheit nur ein anderes Wort für Rechthaberei sei und somit jede Kommunikation erschwere. Ja, der Begriff scheint fast ausschließlich negativ besetzt zu sein: Wer stur ist, ist intolerant, unnachgiebig, trotzig, engstirnig. Zumindest wird mir das häufig unterstellt. Nicht zu vergessen, dass diese Charaktereigenschaft auch ein echter Beziehungskiller ist. Wer will schon eine Frau daten, die dauernd mit dem Kopf durch die Wand will!? Ja, manchmal frage ich mich ernsthaft, ob man mich auch für stur halten würde, wenn ich ein Mann wäre, oder ob ich dann nicht einfach als willensstark gelten würde!? Oh, sieht ganz so aus, als wäre ich schon wieder in die Feminismus-Debatte abgedriftet... Und außerdem: Wo genau liegt denn eigentlich die Grenze zwischen dem gesunden Durchsetzungsvermögen, das wir brauchen, um in einer "Ellenbogengesellschaft" nicht unterzugehen und dem Starrsinn, der einen zum Narzissten macht?

Die Frage ist doch auch: Was erzeugt Sturheit? Ist es Angst, Zorn, Unsicherheit, Misstrauen oder einfach nur das eigene Ego, das irgendwann zu groß wird? Ein Hauptgrund bei mir ist sicher die Angst davor, die Kontrolle zu verlieren. Ich will die Zügel fest in der Hand halten. Aber ab und an, zugegeben manchmal häufiger, wünsche ich mir doch, ich könnte mich auch einfach mal zurücklehnen und andere entscheiden lassen. Zum Beispiel, wohin man in den Urlaub fährt, oder welchen Telefonanbieter man wählt. Dass ich bei Diskussionen nicht immer sage: „Trotzdem…!“ Aber so bin ich nicht. Das liegt nicht in meiner Natur. Was ich dennoch unbedingt ändern möchte: Häufiger Kompromisse eingehen. Und aufgeschlossener gegenüber anderen Meinungen sein.

Ich weiß, ich kann das. Denn wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe…
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