Influencer, Instagrammer, Content Creator, Blogger, YouTuber... Viele Namen für schlicht eine Berufsbezeichnung: Meinungsführer. Oder einfacher gesprochen: Verkäufer. Denn bei aller Sympathie für die ein oder andere Social Media-Person, letztlich geht es immer ums Verkaufen. Darum, einer bestimmten Zielgruppe ein gewisses Produkt ans Herz zu legen. Das ist natürlich vollkommen legitim. Schon immer haben die Menschen versucht, ihr Schaffen zu vermarkten und haben sich dabei der modernen Technik bedient. Als der Buchdruck erfunden war und Zeitschriften in allen Gesellschaftsschichten konsumiert wurden, waren es Werbeanzeigen. Später, als Hörfunk und Fernsehen die Wohnzimmer eroberten, kamen die TV-Spots dazu. Und nun, da Social Media nicht mehr wegzudenken ist, findet die Vermarktung eben da statt. Ich würde sagen, das ist der Lauf der Zeit. Da ist es nur folgerichtig, dass die Firmen auf den Zug aufspringen. Problematisch wird es dann, wenn gar nicht erkennbar ist, was genau (bezahlte) Werbung ist und was eben ein Foto aus dem realen Leben - Versteckte Produktplatzierung sozusagen. Aber dafür gibt es seit vielen Jahren zahlreiche Vorgaben, welche die Kennzeichnungspflicht von Werbung regeln - Allen voran das Telemediengesetz. Wer sich nicht daran hält, kann rechtlich abgemahnt werden.
In den letzten paar Wochen wurde diese Thematik verstärkt von den seriösen Printmedien aufgegriffen. Besonders zwei Artikel waren es, die die Branche aufgeschreckt haben. Da war zum einen der Beitrag in der vorletzten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT (22. März, No. 13/2018). Der zugegeben recht einfallsreiche Titel lautet "Die Einfluss-Reichen".
Nachdem anfangs die reine Faktenlage dargestellt wird, so z. Bsp. dass Unternehmen im letzten Jahr rund 2,2 Milliarden Euro für Instagram-Werbung ausgaben, werden die Geschichten von zwei Influencern näher beleuchtet. Und ehrlich gesagt kann man sich beim Lesen des Eindrucks nicht erwehren, dass eine ordentliche Portion Häme und vielleicht auch ein Funken Neid auf Seiten der Journalist_Innen während der Recherche mitschwang. Irgendwie schon cool, wenn man dafür bezahlt wird, in New York Urlaub zu machen und davon Fotos bei Instagram zu posten. So zumindest mutet der noch krassere Artikel zu dem Thema in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung letzte Woche mit der ketzerischen Überschrift "Wenn Narzissten Kinder kriegen" an. Darin bewertet und verurteilt die Autorin die Vorgehensweise der frischgebackenen Mama und Mode-/ Lifestyle-Bloggerin Chiara Ferragni. Ihr wird in dem Beitrag quasi unterstellt, nur schwanger geworden zu sein, um ein neues Kapitel von sich auf Instagram präsentieren zu können. Natürlich kann man die Art und Weise, wie Chiara ihre Schwangerschaft und insbesondere die Geburt ihres Sohnes in den Social Media mit ihren Followern teilt, kritisieren. Aber von unseren Qualitätsmedien erwarte ich dabei doch ehrlich gesagt etwas mehr konstruktive Kritik. Nicht diese einseitige, oberflächliche und in Teilen hetzerische Berichterstattung. Was man bei der Betrachtung bedenken sollte: Chiara Ferragni war 2009 eine der ersten Modebloggerinnen überhaupt. Inzwischen hat sich die gebürtige Italienerin ein beachtliches Imperium mit zahlreichen Mitarbeiter_Innen aufgebaut. Der 30-jährigen Business-Frau wird in dem FAZ-Artikel tatsächlich das Mutterglück abgesprochen. Geht's noch!?
Und überhaupt, das Thema mal weiter gefasst: Die meisten Influencer sind Frauen. Anstatt sich darüber zu freuen, dass in der ansonsten von Männern dominierten Hightech-Welt junge Frauen selbstständig ein Geschäft aufgebaut haben, wird sich über sie lustig gemacht. Da ist die Rede vom zwanghaften Drang nach Selbstdarstellung und "Instagram-Husbands" (Viele Influencerinnen lassen sich für das Betreiben ihrer Social Media-Kanäle von den Partnern begleiten und fotografieren). Geht das Problem in Wahrheit also viel tiefer? Sprechen wir hier vielleicht über Sexismus, der auch im Zeitalter der Digitalisierung fortlebt? Endlich gibt es mal eine Sparte in der Werbe-Branche, in der Frauen überproportional vertreten und erfolgreich sind, und schon muss man sie nicht ernst nehmen!? Genau das ist der Punkt. Es geht nicht darum, ob junge Mädchen zum Kauf eines neuen Lippenstifts manipuliert werden. Sondern darum, dass man den Frauen (und Männern) ihren Erfolg ganz offensichtlich nicht gönnt.
Um eines klar zu stellen: Mir geht es hier nicht darum, eine Lanze für Influencer Marketing zu brechen. Dazu habe ich auch gar keinen Grund. Mein Blog ist aus purer Freude am Schreiben und Neugierde an den digitalen Medien entstanden. Die zwei "Kooperationsanfragen", die mich bisher erreichten, habe ich ausgeschlagen. Zum einen, da sie unseriös waren, zum anderen, weil ich bereits einen Job habe und diesen Blog hier ungefiltert fortführen möchte. Aber das stetig wachsende Bashing macht mich einfach nur wütend. Ja, diese Leute werden dafür bezahlt, dass sie auf Instagram einen Detox-Tee oder die neueste Augencreme in die Kamera halten. Na und!? Es ist doch immer noch die freie Entscheidung eines jeden einzelnen, ob man die Sachen aufgrund der Empfehlung nun kauft oder nicht. Was selbstverständlich gar nich geht, sind Fälle wie der jüngst bekannt gewordene: Eine britische YouTuberin fragte dreist in einem Hotel in Dublin an, ob sie und ihr Freund freie Kost und Logis im Gegenzug für eine nette Bewertung bei Instagram bekommen - Und erhält dafür richtigerweise eine heftige Absage vom Hotelbesitzer. Ja, der Markt an Influencern ist gesättigt. Es heißt, ab 5.000 Followern auf Instagram kann man mittlerweile damit Geld verdienen. Dass viele Jugendliche als Berufswunsch YouTuber oder Instagrammer angeben, macht die Sache nicht unbedingt besser. Denn wie in besagtem ZEIT-Artikel auch geschrieben wird: Was da aktuell passiert, kann nicht ewig so weiter gehen. Auf Dauer wird sich eine gewisse Anzahl an Influencern etablieren und durchsetzen. Mit viel Fleiß und harter Arbeit. Der Rest wird wohl wieder einem "normalen" Beruf nachgehen müssen. Also: Keep cool!
Und auch wenn ich den Satz von ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, er wolle sich manchmal vor einem deutschen Zeitungskiosk ehrfürchtig niederknien - So gut sei die hiesige Medienlandschaft, nach wie vor unterschreiben würde, so kann ich in diesem speziellen Fall den verantwortlichen Journalist_Innen nur sagen: Schämt euch!
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