Ich glaube, auf dem Blog habe ich das noch nicht erwähnt. Aber wer mich kennt, der weiß: ICH LIEBE DIE GILMORE GIRLS! In regelmäßigen Abständen schaue ich mir die Serie von Anfang bis Ende an, um dann festzustellen, dass ich wieder einen neuen Blickwinkel dazu gewonnen habe. Beim letzten Bing-Watching musste ich darüber nachdenken, wie ich es anfangs etwas befremdlich fand, dass Rory und Lorelai mehr beste Freundinnen waren als Mutter und Tochter. Ich war damals selbst mitten in der Pubertät und bin quasi mit dieser Serie aufgewachsen. Die enge Bindung der beiden war für mich faszinierend bis befremdlich. Erst wesentlich später konnte ich ihre Beziehung genauer einordnen und differenziert betrachten.
Ja, Eltern-Kind-Freundschaften werden vor allem seit diesem traumhaften Duo Mega gefeiert. Es ist einfach total schick, wenn Mama und Tochter ziemlich beste Freundinnen sind. Ist die extrem schwierige Phase der Pubertät erst einmal überstanden, kann man gemeinsam Shoppen, Eis essen, oder ins Kino gehen – Ohne dass sich das eigene Kind für einen schämt. Was für tolle Aussichten! Man hat das Gefühl, man sei mehr und mehr auf Augenhöhe und könne einfach über alles reden - Und sich vielleicht sogar bei Beziehungstipps austauschen.
Sich verändernde Rollenbilder, Angst vorm Älterwerden und unsere heutigen Kommunikationsmittel wie WhatsApp und Facetime, mit denen man quasi stets und ständig in Verbindung sein kann, tragen sicher zum sogenannten Empty-Nest-Syndrom bei. Doch auch die Kinder haben es laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov häufig nicht besonders eilig, das Elternhaus so bald zu verlassen. Jeder zweite junge Mann wohnt mit Anfang 20 noch bei seinen Eltern, bei den Töchtern sind es 35%. Ist es aber nicht so, dass eine solche Beziehung das Risiko in sich birgt, dass Stück für Stück die Rollenverteilung schwammig wird beziehungsweise sich gänzlich auflöst? Kinder brauchen die Erwachsenen als Vorbilder, Wegweiser, Beschützer und ja, manchmal vielleicht als Autoritätsfigur.
Es heißt außerdem, dass solche starken Bindungen zu den Eltern implizieren, dritte Personen quasi auszugrenzen. Haben wir dadurch vielleicht sogar den Hauptgrund für die unserer Generation diagnostizierten Beziehungsunfähigkeit gefunden? Auch bei den Gilmore Girls hatte es jeder Mann schwer und wirkte manchmal eher wie ein Störfaktor.
Natürlich ist es wichtig, dass man mit den Eltern immer über seine Probleme sprechen, sich ihnen anvertrauen kann. Rund 43% der Frauen rufen jeden Tag bei ihrer Mutter an, um sie an ihrem Leben teilhaben zu lassen, fand eine vom Reader's Digest in Auftrag gegebene Studie heraus. Das ist großartig. Und kommt von Herzen. Denn ich bin mir sicher, dass das von wirklichem Interesse am anderen herrührt. Es ist nicht mehr wie früher, wo man vielleicht nur aus Pflichtbewusstsein bei den Eltern angerufen hat. Und ich verstehe, dass man in einer Zeit, in der der Mobilitätswahn uns alle fest im Griff hat, nach ein wenig Beständigkeit sucht. Die Stimme der eigenen Eltern kann so etwas auslösen. Es tut gut zu wissen, dass Mama und Papa immer für uns da sind. Doch wann ist eigentlich der Punkt gekommen, an dem wir unsere Kämpfe unabhängig von ihnen austragen sollten?
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich über einige Entscheidungen, die meine Eltern früher für mich getroffen haben, furchtbar wütend war. Auch mit seinen Freunden streitet man, klar. Aber was man Mama und Papa verzeiht, kann man einer Freundin nicht immer vergeben. Nicht umsonst heißt es oft, die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern sei bedingungslos. Um die Gedanken zum Ende zu bringen: Ob mehr Distanz zwischen den Generationen besser wäre, mag ich nicht beurteilen. Das hier sollen lediglich ein paar Denkanstöße sein. Die Gilmore Girls jedenfalls sind erwachsen geworden, das hat die Fortsetzung der Serie auf Netflix gezeigt, und so auch ihre Beziehung zueinander.